Immer mehr Männer organisieren die Pflege ihrer Angehörigen und ihre Berufstätigkeit parallel. Dabei wenden sie andere Strategien an als Frauen. Im Mittelpunkt steht für viele Männer ihre Erwerbstätigkeit, die Pflege wird um den Beruf herum geplant.
Pflege durch Familienangehörige hat in Deutschland eine hohe Bedeutung. Laut Statistischem Bundesamt gibt es derzeit über 2.6 Millionen Pflegebedürftige, davon werden rund zwei Drittel zu Hause gepflegt. Von diesen werden etwa 1,25 Millionen Betoffene ausschließlich durch Angehörige versorgt. Immer mehr Angehörige müssen dabei jedoch Beruf und Pflege vereinbaren. Dies passt zu dem Befund, dass seit einigen Jahre auch Zunahme männlicher Pflegender (die häufig erwerbstätig sind) zu verzeichnen ist. Der Anteil der männlichen Hauptpflegepersonen ist inzwischen auf 28% angestiegen, wobei sich der Anteil der pflegenden Söhne sogar innerhalb von zwölf Jahren verdoppelt hab.
Schaut man nicht nur nur auf die Hauptpflegepersonen, sondern auf alle Angehörigen, die mindestens eine Stunde pro Tag pflegen, zeigt sich, dass der Anteil der pflegenden Männer sogar auf einem Niveau von 35 Prozent liegt. Die Unterstützung pflegebedürftiger Angehöriger kann somit längst nicht mehr nur als Frauensache bezeichnet werden und Unternehmen müssen sich zunehmend darauf einstellen, dass auch männliche Mitarbeiter Pflegeverantwortung übernehmen. Daher müssen Wege gefunden werden, Beschäftigte bei der Doppelverantwortung möglichst gut zu unterstützen.
Das machen Männer anders
In der Literatur zu pflegenden Männern war es bisher umstritten, ob und inwiefern diese anders pflegen und daher gegebenenfalls auch andere Unterstützungsbedarfe haben als Frauen. Meist ging es dabei jedoch um Männer im Rentenalter, die ihre Partnerinnen pflegen. Erwerbstätige Männer und ihre Vereinbarkeitsstrategien wurden bisher nur begrenzt in den Blick genommen. Um den Alltag erwerbstätiger pflegender Männer zu untersuchen, wurden innerhalb des Forschungsprojektes „Männer zwischen Erwerbstätigkeit und Pflege“ (MÄNNER) unter anderem Unternehmen in Nordhein Westfalen, Hessen und Niedersachsen aufgesucht, die sich selbst als sensibel für die Fragestellung bewerteten. Dort wurden 37 qualitative, leitfadengestützte Interviews mit pflegenden Söhnen geführt und pro Unternehmen je ein Mitglied aus der Mitarbeitervertretung sowie der Unternehmensleitung oder Personalabteilung befragt. In dieser Untersuchng zeigte sich ein wichtiger Unterschied zwischen den Geschlechtern: Während Frauen häufiger ihre Erwerbstätigkeit nach der Pflegesituation ausrichten, organisieren die Männer klar die Pflegetätigkeit um den Beruf herum. Die Vermutung, dass Männer sich nur am Rande und überwiegend organisatorisch um die Belange ihrer Angehörigen kümmern, hat sich dabei nicht bestätigt. Viele Männer, die pflegen, engagieren sich durchaus in bemerkenswertem Umfang. Häufig wurden aufeinander folgend oder zeitlich parallel sogar beide Elternteile betreut. Die Männer versuchen aber, ihre Aktivitäten innerhalb des Rahmens beruflicher Flexibilitätsfenster sowie in Rand- und Erholungszeiten durchzuführen, was teils mit erheblichen Belastungen einhergeht.
Selten Reduzierung der Arbeitszeit
Die überwiegende Zahl der Männer arbeitet trotz Pflege kontinuierlich in Vollzeit weiter, Stundenreduzierungen oder Veränderungen der Arbeitszeiten sind selten. Auf den gesetzlichen Anspruch einer unbezahlten Freistellung (Pflegezeit) wurde von keinem der Befragten zurückgegriffen. In den meisten Fällen wurden informelle Regelungen oder flexible Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege genutzt. Die Pflege, Betreuung oder Unterstützung der Angehörigen erfolgt dann meist morgens vor der Arbeit, nach Dienstende, nachts und am Wochenende. Die überwiegende Mehrheit der Pflegerarrangements, in denen die erwerbstätigen Männer oft auch als Hauptpflegepersonen beteiligt waren, griff unterstützend auf (semi) professionelle Dienstleistungen zurück. Nur in wenigen Fällen wurde keine außerfamiliäre Unterstützung in Anspruch genommen. Die pflegenden Söhne werden oftmals auch von ihren Ehefrauen beziehungsweise Partnerinnen oder auch von anderen Familienmitgliedern unterstützt. Wird der Pflegebedarf im Zeitverlauf höher, wird das Helfernetzwerk größer, während der Pflegebeitrag der Söhne häufig konstant bleibt. Die Pflege der Angehörigen wird also so angepasst, dass sie mit dem Beruf in Einklang gebracht werden kann – oft mit Hilfe eines großen Netzwerks aus professionellen Pflegediensten, der Partnerinnen und Verwandten.
Auch wenn die befragten Männer deshalb selten Probleme mit der Vereinbarkeit sehen, hat diese Strategie jedoch auch Ihre Schattenseiten. Viele der Befragten klagten über gesundheitliche Belastungen, mangelnde Erholung und fehlende Freizeit.
Was können Betriebe tun?
Eine wichtige Unterstützung für pflegende Mitarbeiter könnten die jeweiligen Arbeitgeber leisten. Viele der befragten Unternehmen boten Arbeitszeitflexibilisierungen an, hielten Informationen zum Thema Pflege bereit oder schulten Ihre Führungskräfte. Auch die Benennung konkreter Ansprechpartner oder die Kooperation mit externen Anlaufstellen wurde von den Männern sehr geschätzt. Obwohl bewusst Unternehmen für die Untersuchung ausgewählt wurden, die sich selbst als pflegesensibel bezeichneten, haben wir einen sehr unterschiedlichen Umfang der angebotenen Maßnahmen festgestellt und in vier Betreiben auch Hinweise auf Anwendungsprobleme gefunden. Die Anwendungsprobleme beruhten häufig auf eine sehr leistungsorientierten Unternehmenskultur, die eine flexibilisierte oder reduzierte Arbeitszeit nicht toleriert, sowie einem fehlenden Vertrauen in die Mitarbeiter oder einem traditionellen Geschlechterbild, das Pflege eher als Frauensache betrachtet. Unternehmen können ihre pflegenden Angestellten jedoch durchaus sehr aktiv unterstützen Grundlage dafür ist aber immer eine pflegesensible Unternehmenskultur. Die Studie konnte zwei Erfolgspfade identifizieren: Großunternehmen bieten häufiger umfangreiche Maßnahmen, während kleine und mittlere Unternehmen eher auf informelle Absprachen und Flexibilität setzen. Zwei Typen von Vorgesetzten sind für pflegende Männer besonders problematisch: ältere, konservative Führungskräfte, die nich akzeptieren, dass auch Männer pflegen, und junge Chefs, die mit dem Thema noch nicht in Kontakt gekommen sind. Eine Sensibilisierung der Führungskräfte ist daher besonders wichtig, um hier Abhilfe zu schaffen.